Beyde
, ein Adjectiv, welches alsdann gebraucht wird, wenn zwey Dinge
zusammen genommen werden, oder als zusammen genommen betrachtet werden sollen,
für alle zwey. Es ist in doppelter Gestalt üblich.I. Als ein
eigentliches Adjectiv, welches in manchen Stücken den Pronominibus
ähnlich ist, weil es nur selten einen Artikel vor sich leidet. Es stehet
in dieser Gestalt,1. Am häufigsten im Plural, in so fern die zwey Dinge,
welche als zusammen genommen betrachtet werden, wirklich zwey verschiedene
Dinge sind, da es dann in allen drey Geschlechtern beyde lautet. Beyde
Hände gebrauchen. Auf beyden Augen blind seyn. Auf beyden Achseln tragen.
Man muß beyde Theile hören. Sind denn beyde Geschlechte nur dazu
geschaffen, daß sie einander schaden sollen? Ingleichen mit einigen
Pronominen. Meine beyden Brüder. Die Armuth seiner beyden Verwandten. An
diesen beyden Orten war ich auch. Die beyden Weiber da, wo die nicht der
Artikel, sondern das verkürzte anzeigende Pronomen ist.Beyde kann auch
relative ohne ausdrückliche Beyfügung des Hauptwortes stehen. Abraham
und Sara waren beyde alt. Zwey Briefe, die beyde zu Einer Zeit geschrieben
worden. Ich will sie beyde nehmen. Es geschehe denn mit beyder Bewilligung. Aus
beyden eines machen. Sie sind beyde arm. Du mußt eines von beyden
wählen. Das hieße an beyden zum Verräther werden. Wir beyde sind
neugierig, oder wir sind beyde neugierig. Einer von beyden, in der Schweiz
einetweder. Keiner von beyden, eben daselbst keinetweder.Zuweilen wird um des
Nachdruckes willen auch alle vorgesetzet. Sie beschämet uns alle beyde.
Sie werden alle beyde in die Grube fallen. Auch gibt es einige, doch nur wenige
Fälle, wo man es mit dem Artikel antrifft, obgleich dieses Beywort seine
Hauptwörter schon so genau bestimmt, daß der Artikel unnöthig
wird; z. B. die beyden Häuser in der Peters-Straße gehörenihm.
Der beyden keiner soll es haben, wofür man doch lieber sagt, keiner von
beyden soll es haben.2. Wenn aber diese zwey zusammen genommene Dinge als ein
Ganzes betrachtet werden, so stehet statt beyde das Neutrum beydes im Singular,
mit Auslassung der Hauptwörter. Lasset beydes, nehmlich das Unkraut und
den Weitzen, mit einander wachsen. Man muß beydes thun. Es gestand beydes.
Ich will dir beydes geben. Beydes ist ungegründet. Beydes Werth ist zu
hoch angegeben. Ich will zu beyden behülflich seyn. Von beydem ist hier
die Rede nicht. Zuweilen auch mit dem verstärkenden alles. Man muß
alles beydes thun. Es gehöret alles beydes dazu. Indessen lässet sich
dieser Singular nicht von Personen, sondern nur von Sachen gebrauchen, und auch
bey diesen nur von solchen Sachen, welche sich mit Anstande als ein Ganzes
betrachten lassen. Von zwey Häusern sagt man z. B. nicht, beydes
gefällt mir nicht, sondern beyde gefallen mir nicht.II. Als eine
Conjunction, zwey Sachen oder Sätze mit einander zu verbinden, für so
wohl. In dieser Gestalt kommt so wohl der Plural beyde, als auch der Singular
beydes, jener mehr von Personen, dieser aber mehr von Sachen vor. Beyde
Männer und Weiber. Beyde groß und klein. Es fielen beyde Mann und
Pferd. Beyde Juden und Griechen. Beyde wir und unsere Väter. Beydes Leben
und Tod steht in deiner Gewalt. Was Jesus beydes gethan und gelehret hat. Er
regieret beydes im Weltlichen und im Geistlichen.
Beide im Herze und auch im Sinne, Kaiser Heinrich. Baide plumen
und das gras, Stryker.
Doch diese ganze Conjunction ist im Hochdeutschen veraltet,
und verdienet nur bloß um deßwillen angemerket zu werden, weil sie in
der Deutschen Bibel noch häufig vorkommt.Anm. 1. In den wenigen
Fällen, wo das Adjectiv beyde den Artikel leidet, wird es auch nach der
zweyten Declination der Adjectiven decliniret. Eben dieses geschiehet auch,
wenn es die zueignenden, anzeigenden und fragenden Pronomina vor sich hat.
Meine beyden Brüder; meiner beyden Augen; diese beyden Häuser; welche
beyden meinest du? Mit den persönlichen Pronominen und in den übrigen
Fällen folget es der dritten Declination der Beywörter. Sie beyde
haben ihn gesehen. Ihr beyde seyd thöricht u. s. f.Anm. 2. Beyde lautet
bey dem Kero pedo, und in der zweyten Endung pedero, in dem alten
Bündnisse des Königes Ludwig von 1842 in der zweyten Endung bedhero,
bey dem Ottf. bethiu, bethe, bediu, bey dem Tatian beidu, im Angels. butu,
butwo, batwo, im Engl. both, im Dän. baade, im Böhm. und Pohln. oba.
Die Abstammung dieses Wortes ist so ausgemacht noch nicht. Die letzte Sylbe de
ist vermuthlich das alte twa, two, Nieders. twey, zwey. Daß aber die erste
Sylbe das gleichfalls alte Zahlwort ba, bo, bey dem Ulphilas bai sey, welches
gleichfalls zwey bedeutet, und wovon das Lat. bis, und ambo, seiner letzten
Sylbe nach, abzustammen scheinen, ist um deßwillen unwahrscheinlich, weil
beyde Wörter gerade eines und eben dasselbe bedeuten, welches wider die
Gewohnheit fast aller Sprachen ist. Herr Ihre, dem dies Ableitung
zugehöret, hat diesen Zweifel selbst nicht gehoben. Bey dem Ulphilas kommt
noch eine andere Form dieses Wortes vor, welche vielleicht die älteste
ist, nehmlich bagotho, bagothum, wovon bai bey eben demselben nur eine
Zusammenziehung zu seyn scheinet. Das Dänische begge, welches auch beyde
bedeutet, ist hiermit genau verwandt. Einige gezierte Mundarten sprechen dieses
Wort beede, und in einigen Oberdeutschen Gegenden unterscheidet man alle drey
Geschlechter durch beede, bode, beyde, welches denen jenigen zur Nachahmung
empfohlen wird, [
979-980] welche den Hochdeutschen das
gleichfalls Oberdeutsche zween, zwo, zwey, so gerne aufdringen
wollen. [
981-982]