Bey
, eine Präposition, welche mit der dritten Endung oder dem
Dative verbunden wird, zur Bestimmung so wohl eines Ortes, als auch einer Zeit
dienet, und besonders in dem erstern Falle, einen Zustand, oder eine Handlung
so wohl in der Nähe, als auch im Innern eine Sache ausdruckt. Sie
bezeichnet also,I. Einen Ort, und zwar,1. Einen Zustand, oder eine Handlung
nahe an der Seitenfläche einer andern Sache. Diese Bedeutung, in welcher
bey in vielen Fällen durch an ersetzet werden kann, ist die fruchtbarste,
indem sie nicht nur in dem eigentlichsten und weitern Verstande vorkommt,
sondern auch verschiedene figürliche Arten des Gebrauches veranlasset.a)
Eigentlich. Bey der Rieche wohnen. Ich saß nahe bey ihm. Bey jemanden
liegen, stehe, schlafen. Bey der Thür, nahe bey der Thür stehen. Bey
Tische sitzen, um zu speisen. Sie sind noch bey Tische. Damit sie nicht bey
Tische auf dich warten dürfen. Die Sache ist bey der Hand, in der
Nähe. Ich habe es bey der Hand, in der Nähe; in welchem Verstande
schon Tatian bi hautun sagt. Ich suchte ihn bey dir. Er nimmt es bey der Erde
weg, nahe an der Erde. Bey [
971-972] der Klinge bleiben,
figürlich, von der Hauptsache nicht ausschweifen. Ich habe kein Geld bey
mir. Behalte das bey dir, in deiner Verwahrung, ingleichen, plaudere es nicht
aus.Der Gebrauch des Wortes bey hat hier seine bestimmten Grenzen, und darf
nicht auf solche Fälle ausgedehnet werden, die das Herkommen nicht
gebilliget hat; weil das Vorwort an sich der meisten Redensarten
bemächtiget hat, wo dem Verstande nach gar wohl bey stehen könnte.
Bey dem Rheine wohnen, bey der Wand stehen u. s. f. sagt man im Hochdeutschen
nicht, wohl aber an dem Rheine wohnen, an der Wand stehen. In der
Niedersächsischen Mundart erstreckt sich der Gebrauch dieser
Präposition viel weiter, und wird daselbst in den meisten Fällen
gebraucht, wo im Hochdeutschen das an der eigentlichen Bedeutung stehet. So
sang z. B. Hr. Utz:
Da sah ich durch die Sträuche Mein Mädchen bey dem
Teiche;
wo an dem Teiche, nach des Hrn. Rammlers Verbesserung, dem
Hochdeutschen Sprachgebrauche freylich angemessener ist.Am häufigsten wird
dieses Vorwort im Hochdeutschen gebraucht, wenn die Nachbarschaft einer Stadt,
eines Schlosses, eines Dorfes und zuweilen auch einer Insel ausgedrucket werden
soll. Die Schlacht bey Lügen. Der weiße Berg bey Prag. Die Sandfelder
bey Berlin. Die Barde, welche sich bey Leipzig in die Pleiße
ergießet. Die Elbe ist bey Hamburg breiter als bey Magdeburg. Das Schiff
ist bey Dresden untergegangen. Er begegnete uns bey Roßbach. Der Schiffer
lief bey der Insel Wight auf den Strand. Die Ostsee hat bey der Insel
Rügen viele Untiefen. Die Nachbarschaft der Berge, Flüsse,
Wälder, u. s. f. hat sich in den meisten Fällen das Vorwort an
vorbehalten.(b) In weiterer und figürlicher Bedeutung bezeichnet es,1) Den
persönlichen Gegenstand, auf welchen eine Handlung gerichtet ist, oder auf
welchen sie sich beziehet, mit thätigen Verbis. Bey dem Richter klagen.
Etwas bey Rathe, bey Hofe, bey der Obrigkeit, bey seinem Vorgesetzten
anbringen. Man hat mich bey ihm angemeldet. Gnade bey Gott finden. Er gilt
alles bey mir. Das ist das einzige Mittel, dich bey mir beliebt zu machen. Sich
bey jemanden bedanken. Wir richten damit nichts bey ihm aus. Bey einem um
Vergebung bitten. Um mir Verdruß bey dir zu machen.Auch wenn dieser
Gegenstand zugleich der Sitz des Prädicates ist. Bey sich überlegen,
denken. Ich habe es bey mir beschlossen. Es stehet bey ihnen, ob sie meinen
Rathe folgen wollen. Mein Glück stehet bey dir. Bey sich selbst seyn, sich
seiner bewußt seyn. Das ist bey ihm (nach seinem Urtheile) einerley. Bey
ihr sind alle Dinge schädlich, die man nicht umsonst bekommt, Gell. Bey
mir ist ja ja, und nein nein. Ihr Glück geht bey mir über alles. Bey
Gott ist kein Ansehen der Person. Bey ihm haben diese Hirngespinste alle Reitze
der Wahrheit. Jener bey dem Terentius. Der Esel bey dem Phädrus, der in
Phädri Fabeln aufgeführet, vorgestellet, beschrieben wird. Bey dem
Cicero lautet die Sache ganz anders, in dessen Schriften. Zuweilen kann das
Vorwort, besonders in der höhern Schreibart, hier auch weggelassen werden.
Mir geht dein Glück über alles.
Euch heißt der Wein der Unart Zunder, Haged.
2) Eine moralische Verbindung. Bey einem wohnen, in seinem
Hause. Bey jemanden essen, an seinem Tische. Bey einem in Diensten seyn. Bey
Hofe leben, in Diensten des Hofes. Bey einem Meister in der Lehre stehen. Er
hat seine Schwester bey sich, in seinem Hause, in seiner Gesellschaft. Ich
hatte niemanden bey mir, um mir, in meiner Gesellschaft. Warumwollen sie nicht
bey uns bleiben? Er ist ein Mann bey der Stadt im gemeinen Leben, er ist ein
wichtiger, glaubhafter Mann; eigentlich wohl ein Mann in Diensten der Stadt.
Bey einem einkehren. Man hat es bey ihm gefunden, an seinem Leibe, oder auch in
seinem Hause. Bey einander wohnen, bleiben, schlafen u. s. f.3) Einen
Gegenstand der Sache, einen Gegenstand der Beschäftigung. Bey harter
Arbeit aufwachsen. Bey Wasser und Brot gefangen sitzen. Er ist bey dem Weine
erstochen worden. Bey dem Tanze seyn. Bey dem Biere ist er sehr beredt. Bey
einer Hochzeit, bey einem Begräbnisse seyn. Sagen sie mir, was bey der
Sache anzufangen ist. Es ist mir nicht wohl bey der Sache. Es ist bey der Sache
niemand unglücklicher als ich. Er wird bey der Waare gut fahren. Er kann
nicht lange bey einer Arbeit bleiben. Es könnte bey dieser Sache noch
vieles angemerket werden.4) Das Mittel, das Werkzeug einer Handlung. Jemanden
bey der Hand nehmen, oder führen. Halten sie mich nicht bey der Hand.
Einen bey den Haaren herum ziehen. Etwas bey den Haaren herbey ziehen, in einer
niedrigen Figur, es ohne begreifliche Verbindung anführen.
Zum Unglück hielt er mich im Falle noch beym Bein,
Wiel.
Einen bey dem Kopfe nehmen, im gemeinen Leben, ihn in Verhaft
nehmen. Einen bey seinem Nahmen nennen.
Wie lange wirst du ihn bey diesem Nahmen nennen?
Weiße.
Bey der Lampe arbeiten. Bey Licht lesen, schreiben. Etwas bey
dem Lichte besehen, figürlich, es genau erwägen. Bey dem Scheine der
Fackeln. Bey dem blassen Schimmer des Mondes.5) Eine Coexistenz, oder das mit
und neben einer Sache vorhandene Daseyn einer andern. Wie einfältig sind
sie bey ihrer Behutsamkeit! Wenn man anders bey einer so heftigen
Gemüthsbewegung schlummern kann. Er, der ein böses Herz bey der
einnehmendsten Miene der Aufrichtigkeit hat. Wenn wir bey einer zärtlichen
Liebe Verstand und Tugend haben, so haben wir alles, was ein vernünftiger
Ehemann fordern kann, Gell. Der Geitzhals ist bey großem Gute arm. Bey
allem meinem Glücke mache ich vielleicht meine Freundinn unglücklich,
Gell.Auch wenn die eine Sache der Grund oder die Veranlassung der andern ist.
Er ward bey diesem Auftritte sehr gerührt. Bey dieser Neigung wirst du
unglücklich werden. Das Feuer griff bey dem heftigen Winde schnell um
sich.
Kaum aber sah ich sie, so wich bey ihrem Blicke Mein erst so
dreistes Herz schon ganz beschämt zurück, Gell.
Ja fühle, wie mir bey seinem Nahmen das Herz
schlägt, Weiße. Trauergedanken bey dem Absterben eines
Freundes.Ingleichen, wenn sie dem Vermuthen nach eine entgegen gesetzte Wirkung
hervor bringen sollte, da es für ungeachtet stehet. Er hat bey seiner
großen Gelehrsamkeit sehr wenig hinterlassen. Wohin auch das so
gewöhnliche bey alle dem, oder bey dem allen gehöret, d. i.
ungeachtet alles dessen,
S. All, Anm. 1.6) Zuweilen verschwindet der Begriff der
Coexistenz, und lässet nur die Vorstellung des Besitzes zurück.
Wenigstens lassen sich folgende R. A. in welchen bey das Hauptwort in den
meisten Fällen um seinen Artikel bringet, am füglichsten auf die Art
erklären. Einen bey Leben (im Besitze des Lebens,) erhalten. Ist er noch
bey Leben? Einen bey Ehren, bey Ansehen erhalten. Suche ihn bey diesen guten
Gedanken zu erhalten. [
973-974] Einen bey guter Gesundheit
antreffe. Bey Verstande, bey Vernunft, Bey Sinnen seyn. Er ist schon bey
Jahren, ziemlich alt. Bey Gelde seyn, mit barem Gelde versehen seyn. Bey
Mittel, bey Vermögen seyn, Mittel, Vermögen besitzen. Bey
Kräften seyn. Gut bey Leibe seyn. Welche Redensarten doch
größten Theils nur im gemeinen Leben üblich sind.7) Das Ziel, so
wohl, wo eine Handlung ihren Anfang nimmt, als auch, wo sie aufhöret. Bey
dir will ich anfangen, bey dir will ich den Anfang machen. Bey diesen Worten
fing sie bitterlich an zu weinen. Er bleibt dabey, er behauptet es
beständig. Es bleibt dabey, es bleibt, wie es verabredet, versprochen
worden. Es bleibt bey meinem Versprechen. Bey einer Sache stehen bleiben. Er
bleibt immer bey äußern Scheine stehen. Wie wollen es dabey bewenden
lassen. Er hat mich bey Häller und Pfennig bezahlt, im gemeinen Leben, bis
auf den letzten Häller und Pfennig. Bey einem Haar, bis auf ein Haar, es
fehlte kaum noch ein Haar.8) Eine Ordnung. Sie gingen Mann bey Mann, ein Mann
an dem andern, in welchem Verstande schon Ottfried bi manne für viritim
gebraucht. Sie kamen bey Paaren, paarweise, ein Paar hinter dem andern. Eine
Waare bey Fässern, bey Ballen kaufen, faßweise, ballenweise. Der
kalte Morgen schickt seine Kinder bey Tausenden zur Schlachtbank, Dusch.
Wo Cornetten und Hemder und Schürzen bey Dutzenden
liegen, Zachar.Im Beyseyn der Alten verstellte sich die Jugend, Sie trinkt nur
bey Tropfen, Haged.
9) Einen Bewegungsgrund. Bey Gott schwören. Ich
beschwöre sie bey ihrer Aufrichtigkeit. Bey der Liebe sey es geschworen.
Nein bey der Thräne, die ich an deiner Leiche geweint habe, Dusch. Bey
meiner Treu! Bey meiner Seele! und hundert andere in der niedrigen Sprechart
übliche Arten des Schwörens. Etwas bey Strafe verbiethen. Thue das
bey Leibe nicht. Es scheint, daß dieser Gebrauch eine buchstäbliche
Übersetzung des Lat. per ist; denn daß bey ehedem auch für durch
gebraucht worden, wird aus der dritten Anm. erhellen.2. Einen Zustand oder eine
Handlung in dem Innern einer andern; und zwar wiederum,(a) Eigentlich; von
welcher Bedeutung aber nur noch sehr wenig Redensarten üblich sind,
obgleich auch viele von der vorigen ersten figürlichen Bedeutung hierher
gerechnet werden könnten. Bey Hofe seyn, in der Residenz. Vor Zorn, vor
Schrecken nicht bey sich selbst seyn, welches mit einem andern Ausdrucke auch
außer sich selbst seyn heißt. Bey so verwirrten Umständen, in.
Da man indessen nicht sagen kann, sich bey verwirrten Umständen befinden,
so scheinet es, daß bey hier mehr eine Coexistenz, als den Ort bezeichne.
Ich weiß, daß bey dir ein Verlangen nach mir entstanden ist,
für, in dir.(b) In weiterer Bedeutung, für unter, oder ein
Prädicat anzudeuten, das mehrern gemein ist. Wie steht es bey euch? in
eurem Lande, in eurem Orte, in eurem Hause. Bey uns ist der Wein theuer.
Indessen sagt man gern, bey den Schweden, bey den Russen ist der Wein theuer,
sondern in Schweden, in Rußland. Bey uns nennt man dieses Ding anders. Es
war eine Gewohnheit bey den Alten. Sein Nahme allein muß bey allen
gesitteten Völker seinen besten Lobspruch ausmachen.
Ferner dienet dieses Vorwort auch,
II. Eine Zeit zu bezeichnen, und zwar,1. Eine Zeit, wenn eine
Handlung geschiehet, oder geschehen ist, und so fern solche nur überhaupt
ausgedruckt werden soll, ohne sie eben auf das genaueste zu bestimmen. Bey
Tage, währendes Tages, am Tage. Bey Tage reisen. Bey der Nacht arbeiten.
Bey anbrechendem Tage aufstehen. Bey Nacht und Nebel ausziehen. Bey
schönen Wetter spazieren gehen. Ich bin bey der Nacht sehr furchtsam. Bey
Menschen Gedanken (so lange Menschen denken können,) ist keine solche
Dürre gewesen. Bey frühem Morgen kam der arme Amyntas aus dem dichten
Haine, Geßn. Bey ihren jungen Jahren (besser in) haben sie so etwas
Gesetztes. Ich möchte dich bey meinem Leben noch gerne versorgt sehen. Ich
kann ihm zwar bey meinem Leben nicht mit vielem Gelde dienen, Gell. Bey
Gelegenheit, wenn sich eine Gelegenheit dazu anbiethet. Bey Zeiten, welches
einige ohne Noth als Ein Wort beyzeiten geschrieben wissen wollen, bey
früher Zeit, frühe. Kommen sie fein bey Zeiten. Wir wollen bey Zeiten
sehen, wie wir aus einander kommen. Im Theuerdanke heißt es Kap. 66, ein
Mahl bey der Zeit für bey Zeiten. Ottfried gebraucht dafür
gizito.Auch diese Bedeutung hat im Hochdeutschen ihre Grenzen, die man nicht
nach Gutdünken erweitern darf. Es sind sogar viele Fälle, in welchen
dieses Vorwort ehedem von der Zeit üblich war, im Hochdeutschen veraltet.
Ich bin bey all meinen tagen Nye zorniger auf dich gewesen,
Theuerd. Kap. 91;
wofür man jetzt in gebraucht. Bey den Zeiten Saul, 1.
Chron. 14, 3, heißt es zu, oder in den Zeiten Sauls.2. Eine Dauer, aber
auch hier, wenn solche nur ungefähr angegeben werden soll. Mein liebes
Kind, daß ich bey dreyen Jahren gesäuget, 2. Maccab. 7, 27. Da ward
eine Stille im Himmel bey einer halben Stunde, Offenb. Joh. 8, 1. Bey acht
Tagen nach diesen Reden, Luc. 9, 28. Bey vierzig Jahren lang, Apostelg. 18, 13.
Bey einer Stunde lang, Dan. 4, 16. Doch dieser Gebrauch kommt im Hochdeutschen
wenig mehr vor, indem man statt desselben lieber andere gleich bedeutende
Ausdrücke wählet, z. B. fast, an die, ungefähr, etwa u. s. f.
oder wenn man das Vorwort bey ja behält, es in der folgenden Gestalt eines
Nebenwortes gebraucht. Luther selbst sagte Ruth 1, 4: Sie hatten daselbst bey
zehn Jahre gewohnt. Denn,III. Bey pflegt sich endlich auch zuweilen den Zahlen
zuzugesellen, und druckt alsdann gleichfalls den Begriff des Ungefähren
aus. Allein alsdann verliert es auch die Gestalt einer Präposition und
nimmt die Form eines Adverbii an. Die Wellen hatten die Erde bey drey Schuh
tief ausgehöhlt, ungefähr drey Schuh tief, oder fast drey Schuh tief.
Der König wird sich bey sechs Wochen daselbst aufhalten. Es wären bey
neun tausend, 2 Maccab. 10, 18. Es waren bey fünf tausend Mann, Luc. 9,
15. Die Lohe schlug bey neun und vierzig Ellen hoch aus dem Ofen, Geb. Asar v.
47. Man siehet leicht, das bey hier ein wirkliches Adverbium ist, daher man
nicht nöthig hat, demselben als einer Präposition mit einigen
Sprachlehrern auch den Accusativ zuzuschreiben; denn die Endung des Hauptwortes
hängt in allen diesen Fällen nicht von der Partikel bey, sondern von
dem Zeitworte ab. Luther, oder dessen spätere Herausgeber, haben sich eben
so sehr geirret, wenn sie dem Worte bey in dieser Bedeutung die dritte Endung
zugesellen. Es war bey einem Epha Gerste, Ruth 2, 7. Bey hundert Pfunden, Joh.
19, 39. Er riß sich von ihnen bey einem Steinwurfe, Luc. 22, 41.Eine
andere Frage ist es, ob der Artikel in dieser Bedeutung bey dem Hauptworte
Statt finden könne. Man höret im gemeinen Leben nicht selten, es
waren bey die sechs Meilen, bey die hundert Zentner, bey die tausend Thaler. Da
der Artikel alle Mahl eine genaue Bestimmung gewähret, hier aber die Zahl
nur ungefähr angegeben werden soll, so scheinet der erstere hier freylich
nicht nur überflüssig, sondern auch widersinnig zu seyn.
Indessen [
975-976] ist doch diese Art sich auszudrucken
ziemlich allgemein, und auch mit dem Vorworte an üblich, an die sechs
Meilen u. s. f. Freylich zwar nur unter dem großen Haufen; allein diesem
gehöret auch dieser ganze Gebrauch der Partikel vornehmlich zu; denn in
der anständigen und reinen Schreib- und Sprechart wird man bey wohl nicht
gerne mehr für fast und ungefähr gebrauchen.Zu dieser adverbischen
Gestalt dieser Partikel gehöret auch die Redensart bey nahe und dessen
Gegentheil bey weiten. Ich wäre bey nahe gefallen, fast, es fehlete nicht
viel. Bey nahe wäre ich nicht gekommen. Bey weiten, es fehlet viel. Das
ist bey weiten noch nicht alles. Die größten Reichthümer sind
bey weiten nicht so wichtig, als der Nahme eines ehrlichen Mannes.
S. Nahe und Weit. Für bey nahe war ehedem auch
vilbi oder viel bey üblich, wie aus dem Straßburgischen Stadtrechte
bey dem Schilter erhellet.
S. auch Anm. 3.Anm. 1. Aus dem, was bisher
angeführet worden, erhellet zugleich, daß bey im Hochdeutschen nur
einen Stand der Ruhe bezeichnen, oder einer Handlung im Stande der Ruhe
betrachtet zugesellet werden kann. Die Niedersächsische Mundart gebraucht
dieses Wort auch, eine Richtung oder eine Bewegung nach einem Gegenstande zu
auszudrucken, und verbindet es alsdann mit der vierten Endung; z. B. einen Topf
bey das Feuer setzen; sich bey die Stadt lagern. Dieser Niedersächsische
Gebrauch hat sich auch in die Deutsche Bibel eingeschlichen. Z. B. Ehe denn er
nahe bey sie kam, für zu ihnen, 1. Mos. 37, 18. Begrabet mich bey meine
Väter, für bey meinen, Kap. 49, 29. Die Kinder Israel sollen sich
lagern ein jeglicher in sein Lager, und bey das Panier seiner Schaar, für
bey dem, 4 Mos. 1, 52. Tritt bey dein Brandopfer, für zu deinem, Kap. 23,
3. Joas ward begraben bey die Könige Israel, für bey den, 2 Kön.
13, 13; Kap. 14, 20. Und trat bey das Rad, für an das Rad, Ezech. 10, 6.
Und er kam hart bey mich, für nahe zu mir, Dan. 8, 17. So auch Sir. 11, 1;
Matth. 26, 58; Marc. 2, 4; Luc. 10, 32 u. s. f. Diese Wortfügung
nachzuahmen, würde im Hochdeutschen alle Mahl ein Fehler seyn; noch mehr
aber, wenn man um deßwillen bey unter diejenigen Vorwörter rechnen
wollte, welche so wohl die dritte, als vierte Endung zu sich nehmen, wie von
einigen Sprachlehrern wirklich geschehen ist. Wie aber keine Regel ohne
Ausnahmen ist, so sind auch im Hochdeutschen wenigstens einige Fälle
vorhanden, wo das Vorwort bey eine Bewegung nach einem Orte bezeichnen hilft.
Dahin gehören vornehmlich die R. A. bey Seite gehen, jemanden bey Seite
nehmen, rufen, ziehen, etwas bey Seite legen; wofür man doch billig lieber
sagen sollte auf die Seite.
S. auch Beysammen und Beyseits.Anm. 2. Bey lautet schon
bey dem Ulphilas bi, im Angels. bi, im Dän. und Nieders. bi, im Engl. und
Holländ. by. Im alten Preußischen hatte po eben diese Bedeutung,
daher auch die Nahmen Porussen oder Preußen, und Pommern, Länder
bedeuten sollen, die an Reußen, und an dem Meere liegen. Das Griechische -
hier nichtlateinischer Text, siehe Image -
ist mit dieser nördlichen Partikel sehr nahe verwandt. Ob aber dieses bey
zu dem alten bio, bo, bauen, so fern es wohnen bedeutet, oder zu dem alten bi,
bin, seyn; wovon das Engl. to be und das Deutsche ich bin, abstammen,
gehöret, lässet sich bey dem hohen Alterthume aller dieser
Wörter nur muthmaßen. Ehedem hatte man von dieser Partikel im
Deutschen auch das Verbum sich bien, für sich nahen.
S. auch Be-, welches wenigstens in einigen Fällen
aus diesem Vorworte entstanden ist.Anm. 3. Diese Präposition ist eine von
denjenigen Partikeln, die in ihren meisten Bedeutungen von dem Gebrauche nur
auf gewisse Fälle eingeschränket worden sind, die man nicht nach
Gutdünken vervielfältigen darf. Manche Arten des Gebrauches, welchein
den gemeinen Mundarten erlaubt sind, würden in der anständigen
Schreibart niedrig klingen. Z. B. ich entdecke viele Schwachheiten bey ihm,
für an ihm; ich habe es bey dem Spaziergange erfahren, für auf; er
erblickt bey der Heirath nicht als Fallstricke, besser in dem Ehestande, u. s.
f. Ehedem war dessen Gebrauch nicht so eingeschränkt. Denn es bedeutete,
1) Durch. Bi thinen mahtin, durch deine Macht, Ottfried. 2) Nach, von der Zeit.
Bi iaron quimit er iu heim, nach einigen Jahren kommt er zu euch, Ottfried. 3)
Für, Opphoron er scolta bi die sino sunto, er sollte für seine
Sünden opfern, ebend. Bi richi sin irsterban, für sein Reich sterben,
ebend. 4) Von. Zalta in - bi eine brutloufti, erzählte ihnen von einer
Hochzeit, ebend. 5) Aus. Bi bilauue gidan, aus Bosheit geschehen, ebend. Bi
nide, aus Neid, ebend. 6) Wegen. Bi iro missodati, wegen ihrer Sünde,
ebend. Bi thia meina, wegen des Verderbens, ebend. 7) Fast, als ein Nebenwort.
Und do Hannibal hette bi die stat gewunnen, in Königshov. Chron wovon
unser heutiger Gebrauch mit den Zahlen noch ein Überbleibsel ist. 8) Eine
Zeitdauer. Bi iaron io ginuagi, viele Jahre lang, Ottfried. 9) Unter. Bi
Pontisgen Pilate, unter Pontio Pilato, in der Catech. Theod. bey dem Eckard.
10) Das Mittel einer Erkenntniß. Bey der That mogt ir verstan, Theuerd.
Kap. 85. Anderer zu geschweigen.Anm. 4. Bey wird zuweilen auch mit einigen
Partikeln zusammen gesetzet, dergleichen beyan, beyher, beyhin sind; allein
diese sind Niedersächsisch; anbey ist Oberdeutsch. Dabey, wobey, vorbey,
herbey, hingegen sind auch im Hochdeutschen üblich.
S. diese Wörter. Zahlreicher sind die
Zusammensetzungen mit Nenn- und Zeitwörtern. Bey bedeutet daselbst, 1)
eine Verbindung einer Sache mit der Seitenfläche der andern, wie in
beybiegen, beybinden, beydrucken, beydrücken, Beylage, beylegen,
beyschließen u. s. f. welche eigentliche Bedeutung zugleich eine Quelle
verschiedener figürlicher ist; wohin die Wörter beymischen, Beyspiel,
Beyfall, beymessen, beypflichten, Beystand, beystehen, beystimmen, u. a. m.
gehören. 2) Eine Annäherung; daher, beykommen, beygehen, beybringen
u. s. f. 3) Eine Sache, die neben einer andern gleicher Art da ist, wohin die
Hauptwörter Beybothe, Beyessen, Beyfrau, Beyhülfe, Beylade,
Beyläufer, Beynahme, Beywagen u. s. f. gehören. In einigen
Fällen schleicht sich auch der Begriff des Geringern oder Unechten mit
ein; wie in Beyschmack, dem veralteten Beyglaube für Aberglaube,
Beyschlag, eine falsche nachgeschlagene Münze u. s. f. Viele
Hauptwörter dieser Art sind nur im gemeinen Leben üblich; in der
anständigern Schreibart setzet man sie lieber mit Neben -
zusammen. [
977-978]