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Adelung - Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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Begreifen

, verb. irreg. act. S. Greifen.1. Ergreifen, angreifen und fest halten. 1) * Eigentlich, in welcher Bedeutung dieses Zeitwort jetzt im Hochdeutschen veraltet ist, sonst aber üblich war. Denn so kommt bigriffen für anfassen noch in dem alten Gedichte auf den heil. Anno vor, und bey dem Theuerdank Kap. 60 heißt es auch noch: Begreif den gauch bym grindt, ergreif den Narren bey dem Kopfe. Indessen sind doch 2) noch ein Paar figürliche Bedeutungen davon üblich. (a) Antreffen, ertappen. Einen im Ehebruche, in einem Diebstahle, auf frischer That begreifen. Und kann sie nicht überzeugen, denn sie ist nicht darin begriffen, 4 Mos. 5, 13. So auch Sprichw. 6, 31. Jer. 2, 26. Joh. 8, 3, 4. welche Bedeutung doch auch im Oberdeutschen gebräuchlicher ist, als im Hochdeutschen. (b) Sich begreifen, heißt in Niedersachsen so viel, als sich Fallen an etwas anhalten, den Fall zu vermeiden. Im Hochdeutschen bedeutet daher, sich begreifen, figürlich, sich seiner bewußt werden, besonders in einer heftigen Leidenschaft zu sich selbst kommen, vernünftigen Vorstellungen Raum geben. Begreifen sie sich doch, sagt man zu einen Zornigen, den man zu besänftigen zu sucht.2. Oft an etwas greifen. 1) Eigentlich. So begreift der Arzt den Puls, der Fleischer das Vieh. Tritt herzu mein Sohn, daß ich dich begreife, ob du seyest mein Sohn Esau oder nicht, 1. Mos. 27, 21. Ingleichen durch vieles Angreifen abnutzen. Ein begriffener Hut.
Sage du begriffne Leyer, Wem ich dich vermachen darf, Günth.
2) Figürlich, sich mit etwas beschäftigen, in welcher Bedeutung doch nur die Wortfügung begriffen seyn, üblich ist. Auf der Reise begriffen, befindlich, seyn. Er ist eben im Ausziehen begriffen. Über der Arbeit, oder in der Arbeit begriffen seyn. Die Truppen sind im vollen Marsche begriffen.3. Mit der Hand umfassen, umspannen. 1) Eigentlich, in welcher Bedeutung doch dieses Zeitwort wenig mehr üblich ist. Er begreifet die Erde mit einem Dreyling, Es. 11, 12. Ein Maß von dreyßig Ellen mochts umher begreifen, 2 Chr. 4, 2. 2) Figürlich. (a) Einschließen. Jemanden mit in dem Frieden begreifen. Er ist nicht mit in dem Bündnisse begriffen. Ingleichen mit Worten umfassen. Viel mit wenig Worten begreifen, ausdrucken. (b) Intransitive, in sich enthalten. Der äußere Zirkel, der die andern alle in sich begreift. Das ist mit darunter begriffen. Alles was die Welt in sich begreift. Dieser Satz begreift gar vielerley in sich. (c) Mit dem Verstande begreifen, eine Sache nach ihren Gründen einsehen. Das ist leicht, schwer zu begreifen. Er hat diese Sache bald begriffen, erlernet. Jetzt begreife ich es, wie es möglich war. Ich begreife nicht was du willst. Nun das begreife ich doch in aller Welt nicht, Weiße. Ein edler Geist begreift aus einem einigen großen Beyspiele die ganze Lehre seiner Pflichten, Dusch. In dieser Bedeutung kommt begriffen schon bey dem Notker und Tatian vor. Indessen würde sich diese figürliche Bedeutung eben so bequem aus einer der beyden ersten eigentlichen herleiten lassen, zumahl da auch im Oberdeutschen eine Sprache ergreifen, für sie begreifen, üblich ist. [805-806] Anm. Begreifen, Nieders. begripen, Dän. begribe, bedeutete ehedem auch bloß berühren. Und begreif den Felsen wider mit dem eisen, heißt es im Theuerd. Kap. 56. Das Hauptwort die Begreifung wird nur in der zweyten eigentlichen Bedeutung gebraucht, in verschiedenen der übrigen ist Begriff üblicher. [807-808]
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