Aufziehen
, verb. irreg. (
S. Ziehen,) welches in doppelter Gattung üblich
ist.I. Als ein Activum, wo zugleich die eigentliche Bedeutung des Verbi ziehen,
trahere, die herrschende ist.1. Durch Ziehen öffnen. Ein Schloß
aufziehen, es durch Zurückziehung des Riegels öffnen. Den Hahn an
einem Schießgewehre aufziehen. In uneigentlicher Bedeutung sagt man
auch [
553-554] von einem Pflaster, daß es ein
Geschwür aufziehe, wenn es dasselbe erweichet und öffnet.2. Eine
Sache auf die andere ziehen oder spannen. a) In eigentlicher und weiterer
Bedeutung. Saiten aufziehen, auf ein Instrument. Einen Übelthäter
aufziehen, auf die Folter oder auf die Leiter, welches in der Kunstsprache der
Henker der Zug genannt wird. Aufziehen bey den Webern, die Fäden der
Länge nach ausspannen und sie auf den Weberstuhl ziehen, welches in
Niedersachsen reiten, reiien, rijen, ingleichen scheren heißt;
S. Aufzug. Ferner für aufkleben. Einen Riß,
einen Kupferstich aufziehen, ihn auf eine andere Fläche kleben. b)
Figürlich. Eine Sache aufziehen, ausschieben. Ingleichen, jemanden mit
einer Sache aufziehen, zur Ungebühr aufhalten. Man ziehet uns mit dem
Prozesse nun schon so lange auf. Ohne Zweifel kommt diese figürliche
Bedeutung von der ehemahls üblichen R. A. her, eine Sache auf die lange
Bank ziehen oder schieben.
S. Bank. Gott zeucht die Strafe auf, schiebt sie auf,
braucht noch Matthesius in einer sehr ernsthaften Rede.3. In die Höhe
ziehen. a) In eigentlicher und weiterer Bedeutung. Den Weinstock aufziehen, bey
den Winzern, ihn aus derjenigen Erde ziehen, mit welcher man ihn im Herbste
bedeckt hatte, welches die erste Arbeit im Frühlinge in den Weinbergen
ist, so in Franken auch ausschütten genannt wird. So auch Pflanzen,
Wurzeln aufziehen, aus der Erde ziehen. Ingleichen vermittelst eines Seites,
Bandes u. s. f. in die Höhe ziehen. Eine Brücke aufziehen. Die Anker
aufziehen, welches in der Sprache der Seefahrer, die Anker lichten genannt
wird. Die Segel aufziehen, Nieders. brassen, oder aufbrassen. Einen
Übelthäter aufziehen, an den Galgen. Eine Uhr aufziehen, die Gewichte
an derselben; eine R. A. welche auch von den Federuhren gebraucht wird,
ungeachtet sie keine Gewichte haben. Den Vorhang aufziehen, welche Redensart
eigentlich auf der Schaubühne gebraucht wird, hernach aber auch
figürlich von der Entwickelung oder Entdeckung einer dunkeln Sache
üblich ist. Wenn die Ewigkeit vor uns ihren Vorhang aufziehet, Dusch.
S. Vorhang. Eine Grube aufziehen, bedeutet bey den
Lohgärbern im metonymischen Verstande, das gar gemachte Leder aus der
Grube ziehen; indessen kann auch die erste Bedeutung der Öffnung hier
Statt finden. Die Sonne ziehet den Nebel, die Dünste u. s. f. auf, sagt
man, wenn sie durch Verdünnung der obern Luft macht, daß die
Dünste aufwärts steigen. Butter aufziehen, in den Küchen, sie zu
manchen Brühen mit Wasser und Mehl schmelzen, und dabey beständig mit
einem Löffel in die Höhe ziehen.b) Figürlich. (1) Durch
Hammerschläge nach oben zu ausdehnen. In diesem Sinne nennen die
Goldschmiede diejenige Arbeit aufziehen, welche bey den Kupferschmieden
auftiefen heißt, wenn sie nehmlich das bereits hohl gegossene Silber mit
dem Aufziehhammer auf dem Bechereisen dünner schlagen und zugleich nach
oben zu ausdehnen. (2) Wägen, besonders auf der Probierwage wägen,
weil dergleichen Wagen vermittelst eines Fadens aufgezogen werden; worauf
dieses Wort oft auch von einem jeden Wägen gebraucht wird. Ein
Goldstück aufziehen. Brot aufziehen u. s. f. (3) Groß füttern,
so wohl von Thieren, als auch von Kindern; von letztern am häufigsten im
gemeinen Leben. Kälber, Gänse aufziehen. Ein Kind aufziehen, es
ernähren, bis es groß wird; dagegen auferziehen, oder besser
erziehen, vorzüglich auf die Bildung des Geistes und der Sitten siehet.
(4) Zum Tanze auffordern. Eine Person zum Tanze aufziehen, oder nur schlechthin
aufziehen.
Zog dich ein Schäfer auf, sogleich verdroß es mich,
Rost.
(5) Jemanden aufziehen, sich in dessen Gegenwart über
seine Mängel lustig machen. Einen mit etwas aufziehen, ihm dasselbe im
Scherze oder Spotte vorrücken; gleichsam, ihn öffentlich hervor
ziehen, und in seiner Schwäche darstellen.II. Als ein Neutrum, welches das
Hülfswort seyn erfordert; in welcher Gattung es zunächst von ziehen,
wandern, zusammen gesetzt ist. 1) Am Horizonte herauf getrieben werden,
besonders von Gewitterwolken. Es zieht ein Wetter auf. Ein Sturm zieht auf,
Schleg. Noch häufiger aber reciproce. Es zieht sich ein Gewitter auf. 2)
Auf die Wache ziehen, von Soldaten. Die Wache zieht auf, ist bereits
aufgezogen. 3) Einher gehen, in Ansehung der Kleidung und des äußern
Anstandes, gekleidet seyn. Er zieht prächtig auf. Er zog wie ein Bettler
auf. Ingleichen mit dem Verbo kommen. Er kommt prächtig, liederlich
aufgezogen. 4) Figürlich, vorbringen, im verächtlichen Verstande.
Komm mir mit dieser Entschuldigung nicht aufgezogen. Da kommt er wieder mit
einer Lügen aufgezogen.Das Substantiv die Aufziehung, ist nur im Activo,
aber auch hier selten gebräuchlich, indem es von dem Hauptworte Aufzug
fast überall verdränget worden. [
555-556]