Anlegen
, verb. reg. welches in zwiefacher Gestalt üblich ist.I.
Als ein Activum, eine Sache an die andere legen, in mancherley so wohl
eigentlichen, als figürlichen Bedeutungen des einfachen Verbi.1. In
eigentlicher und weiterer Bedeutung. Eine Leiter anlegen, an die Wand. Den
Backen an ein Gewehr anlegen. Das Gewehr anlegen, an den Backen es anschlagen.
Ein Rind anlegen, an die Brust, es zu säugen. Einen Reif anlegen, dem
Fasse. Einem Ketten, Fesseln anlegen. Einen Hund, einen rasenden Menschen
anlegen, an eine Kette. Holz anlegen, an das Feuer. Feuer anlegen, an ein Haus,
es in Brand zu stecken. Es ist diese Nacht wieder Feuer angeleget worden. Einen
Rocken anlegen, den zum Abspinnen nöthigen Flachs um den Rocken, welches
in Franken auch anferben genannt wird. Eben daselbst bedeutet auch die
Angelegte, so viel Flachs, als auf einmahl an den Rocken angeleget wird. Die
Garben anlegen, in der Landwirthschaft, die Garben zu beyden Seiten der
Scheuntenne so legen, daß man sie bequem dreschen könne, in manchen
Gegenden anstauchen. Einem Pferde den Zaum, die Halfter, den Zügel
anlegen.
Die richtende Natur legt durch gemäße Qualen Dem
Willen Zügel an, und bändigt Cannibalen, Dusch.
Einem Inquisiten die Daum- oder Beinschrauben anlegen,
bedeutet in der Preußischen Criminal-Ordnung, sie bloß anlegen, ohne
zuzuschrauben, in Sachsen aber, anlegen und zuschrauben, doch gleich wieder
nachlassen, im Gegensatze des völligen Zuschraubens, welches in Sachsen
mit den Daum- oder Beinschrauben vorstellen, oder angreifen genannt wird.Auf
ähnliche Art wird anlegen auch, als ein anständiger Ausdruck,
für anziehen gebraucht, so wohl von der ganzen Kleidung, als auch von
verschiedenen einzelnen Kleidungsstücken; von welchen selbst anziehen
nicht gesagt werden kann. Ein Kleid anlegen. Schuhe, Strümpfe, den Degen,
das Strumpfband anlegen. Man legte ihm den Mantel an. Sie hat wohl nicht ohne
Ursache ihren ganzen Staat angelegt, Gell. Sich anlegen, sich ankleiden. Sich
anders anlegen, sich umkleiden. Der Hof hat die Trauer angelegt. In dieser
Bedeutung ist unser Verbum bereits sehr alt; denn Ottfried und Notker
gebrauchen analegan nicht allein für anziehen, sondern analegi bedeutet
bey ihnen auch ein Kleid. In dem Theuerdank Kap. 54 kommt anlegen in einer
sonderbaren Verbindung vor. Tewrdank legt sich in sein Zeug an, legte sein
Turnierzeug an. Die figürliche Bedeutung: Wer einem Narren Ehre anlegt,
das ist u. s. f. Sprichw. 26, 8; und lasse sich auf die Backen schlagen und ihm
viel Schmach anlegen, Klagel. 3, 30; in welcher Hofmanswaldau singt:Der Himmel
legt selbst mit neuen Kräften an, ist im Hochdeutschen veraltet.Bey den
Mahlern bedeutet anlegen so viel als illuminiren, mit Farbe belegen. Die Berge
braun, einen Wald grün anlegen.Hieher gehöret auch das Reciprocum
sich anlegen, welches von verschiedenen leblosen Körpern gebraucht wird,
wenn sie auf der Oberfläche eines andern Körpers zum Vorschein
kommen, oder sich an selbige anhängen. So leget sich die Speise an den
Topf an. Die Krystallen legen sich an, wenn sie an dem Rande des
Gefäßes entstehen, welches in der Sprache der Kunst noch
häufiger anschießen genannt wird. Auch der Rost legt sich an das
Eisen an, und figürlich auch der Neid an das Glück und an die
Verdienste. Du weißt, daß sich der Neid jederzeit an das Glück
anzulegen pflegt.Die Redensart Hand anlegen, oder Hand an etwas legen, ist alt,
und wird so wohl von dem gewaltsamen Angriffe einer Person und Sache, als auch
von dem Anfange der thätigen Beschäftigung mit etwas gebraucht. In
der ersten Bedeutung sagt schon Tatian Kap. 184 inti legitun iro hant in then
heilant ana inti habetun inan; aber heut zu Tage gebraucht man in derselben
lieber das einfache Verbum, Hand an einen legen. In der letzten Bedeutung sagt
man auch jetzt häufig, Hand anlegen, mit Hand anlegen, mit arbeiten
helfen, die letzte Hand anlegen, einer Sache die letzte Gestalt geben, sie zur
Vollkommenheit bringen, ausbessern.2. In verschiedenen figürlichen
Bedeutungen, welche sich vornehmlich auf den vielfachen Gebrauch des einfachen
Verbi legen gründen, bedeutet dasselbe:1) So viel als anweisen, anstellen,
zu einer gewissen körperlichen Arbeit bestimmen, im Gegensatze des
Ablegens. In diesem Verstande wird es so wohl in dem Bergbaue, als auch in dem
Jagd- und Forstwesen, und verschiedenen andern Lebensarten gebraucht, wo
Arbeiter zu etwas anlegen, so viel bedeutet, als ihnen eine gewisse Arbeit
aufgeben.2) Zu einem gewissen Gebrauche anwenden. Geld oder zu etwas anlegen.
Sein Geld wohl anlegen. Sein Geld an Eitelkeiten, sein Vermögen an
Landgüter anlegen. Seine Wohlthaten gut, schlecht anlegen. Man weiß
ja nicht, wie man seine Gaben anlegt, Gell. Ich lege bloß die Interessen
zu dergleichen Ausgaben an. Ich wußte in der Eil nicht, wozu ich das Geld
anlegen sollte, Gell. So auch, seine Zeit wohl, übel anlegen, anwenden.
Wohl angelegte Zeit.Mit andern Substantiven möchte es in diesem Verstande,
wenigstens im Hochdeutschen, wohl eben gewöhnlich seyn; denn die R. A.
Fleiß an etwas anlegen, ist mehr Oberdeutsch.3) Die erste Einrichtung, den
Anfang zu etwas machen. Die Randhölzer, welche die Rundung des Schiffes
anlegen, den Grund dazu legen. Ein Gebäude, eine Stadt, ein Dorf, einen
Garten anlegen. Einen Weinberg anlegen, welches in Franken wenden, und in den
Rheinländern anrotten genannt wird, vielleicht für anreuten oder
anroden. Einen Jahrmarkt anlegen. Die meisten Bibliotheken sind entstanden, nur
wenige sind angeleget worden, Less. Die Charaktere sind in diesem Lustspiele
geschickt angelegt. Ingleichen in weiterer Bedeutung, für anfangen. Die
das durch ihre Unart zerstören, was durch das Gehör des Wortes bey
ihnen angeleget war, Mosheim. Ehedem wurde dieses Verbum in noch weiterer
Bedeutung für eine jede Verfertigung, Veranstaltung gebraucht. So
heißt es z. B. in Boners 74sten Fabel:
Ich kan das angelegen wol, Wie uns der kouche werden sol.
4). Dienliche Mittel zu Erreichung einer Absicht vorbereiten
und anwenden; doch nur im nachtheiligen Verstande. Er hat es darauf angelegt.
Es ist darauf angelegt. Er legt es darauf [
333-334] an,
daß ich so scheinen soll, Less. Er pflegt alles von weiten anzulegen.
Ingleichen verabreden, doch gleichfalls nur im nachtheiligen Verstande. Sie
haben es mit einander angelegt. Das Bubenstück wird nicht so vollendet
werden, als es angeleget ist. Es ist ein angelegter, heimlich verabredeter,
Handel, wofür man in Oberdeutschland sagt, es ist ein angelegter Karren. *
Sich mit bösen Buben anlegen, einlassen, abgeben, wie man gleichfalls in
Oberdeutschland sagt, ist den Hochdeutschen unbekannt.5) Auflegen, besonders
von Abgaben. Einen Zoll anlegen. Neue Steuern und Gaben anlegen. Man
könnte diesen Gebrauch figürlich zu dem dritten rechnen, wo der
Begriff der ersten Einrichtung der herrschende ist. Allein da man auch sagt,
einen mit Steuern und Gaben anlegen, er ist in der Steuer sehr hoch angeleget,
einen nach seinem Vermögen anlegen, und in Oberdeutschland, eine mit einer
Geldbuße anlegen, d. i. belegen, so kann man es hier entweder als eine
buchstäbliche Übersetzung des Latein. imponere ansehen, oder es zu
derjenigen Bedeutung des einfachen legen rechnen, nach welcher es auch
bestimmen, verordnen bedeutet. Daher legt man in den rechten auch eine
Sequestration an, wenn man sie verordnet und einrichtet.II. Als ein Neutrum,
welches das Hülfswort haben erfordert. 1) In der Schifffahrt, wo anlegen,
mit dem Schiffe anlegen, so viel bedeutet, als nahe an das Ufer fahren, sich an
die Küste legen, im Gegensatze des Ablegens. Die Schiffe müssen hier
anlegen, anlanden. 2) Fett anlegen, fett werden, wo es zwar einen thätigen
Schein hat, aber doch nicht im Passivo gebraucht werden kann.Das Hauptwort die
Anlegung, kann für die Handlung des Anlegens in allen eigentlichen und den
meisten figürlichen Bedeutungen des Activi, in welchen Anlage nicht
gewöhnlich ist, gebraucht werden. [
335-336]