Vorrede
Da ich diejenigen Gegenstände, welche in der
Vorrede zur ersten Ausgabe dieses Wörterbuches berühret worden,
theils seitdem an andern Orten vollständiger und gründlicher
vorgetragen habe, theils noch künftig in meiner Geschichte der Deutschen
Sprache und Litteratur mit mehr Ausführlichkeit bearbeiten werde; die
Einrichtung des Werkes auch aus der ersten Ausgabe bekannt genug ist: so werde
ich mich hier bloß auf dasjenige einschränken, was in
gegenwärtiger Bearbeitung von mir geleistet worden." "Der gütige
Beyfall, welchen dieses Werk von seinem ersten Anfange an gefunden, hat es mir
zur Pflicht gemacht, dasselbe auch nach dessen Vollendung niemahls aus den
Augen zu setzen, sondern jede Gelegenheit zu benutzen, wo ich etwas zu dessen
Bereicherung und Berichtigung beytragen konnte. Es betrifft dieses theils die
Menge der in eigenen Artikeln aufgeführten Wörter, theils ihre
Bearbeitung." "Es war dieses Werk weder zu einem Glossarium, noch zu einem
allgemeinen Deutschen Wörterbuche bestimmt, sondern zu einem
Wörterbuche der Hochdeutschen Mundart, so wie sie noch jetzt in Schriften
üblich ist. Es fielen also alle veraltete, alle provinzielle, und alle
niedrige, bloß dem Volke eigene Wörter und Ausdrücke der Regel
nach von selbst weg. Allein auch hier waren Ausnahmen nothwendig. Es werden
noch jetzt manche ältere Schriften sehr häufig gelesen, welche
mehrere veraltete Wörter und Formen enthalten, wie z. B. Luthers Bibel,
und folglich theils einer Erklärung, theils aber auch einer Warnung
bedürfen, damit Ungeübte und Ausländer sie nicht für noch
jetzt gangbar halten. Manche provinzielle oder unrichtig gebildete Wörter
kommen bey sonst guten Schriftstellern vor, und konnten daher nicht
übergangen werden, wäre es auch nur, ihre Mängel zu zeigen. Eine
große Menge sonst niedriger Wörter ist für die niedrig-komische
Schreibart brauchbar, und hatte also ein gegründetes Recht gleichfalls
aufgeführet zu werden. Das ist der Plan, welchen ich bereits bey der
ersten Ausgabe befolgte, und da ich keine Gründe sah, von demselben
abzugehen, so habe ich ihn bey dieser neuen Bearbeitung beybehalten, nur
daß ich die Wörter aller Art besonders aber die guten und noch jetzt
gangbaren mit mehrern tausend vermehret habe, welche bey der ersten Auflage
meiner Aufmerksamkeit entgangen waren."
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Es haben
sich seit der ersten Ausgabe dieses Werkes sehr viele Gönner und Freunde
gefunden, welche meine Arbeit theils in gedruckten Werken, theils schriftlich
zu ergänzen und zu bereichern gesucht. Ich sage ihnen dafür hier den
verbindlichsten Dank, habe auch ihre Beyträge, so weit es meine Absicht
verstattete, auf das sorgfältigste benutzt. Allein ich muß doch
bedauern, daß nicht allen mein Plan gehörig eingeleuchtet hat, daher
betreffen die meisten Beyträge dieser Art Wörter und Formen des
niedrigen Lebens, welche selbst für die niedrig-komische Schreibart
unbrauchbar seyn würden, und mir daher keiner Aufnahme würdig
schienen. Ich habe schon bey der ersten Bearbeitung viele tausend dieser
Wörter und Bedeutungen selbst zurück gelegt, welche ich in der ersten
Hitze mit aufgesammelt hatte, und mich auch jetzt nicht entschließen
können, selbige mit aufzunehmen, weil ich keinen Nutzen davon sehe. Wer
alle Eigenheiten des niedrigen Volkes in einem Werke dieser Art für
nothwendig hält, dem wird es nicht schwer fallen, dasselbe dadurch um die
Hälfte, ja noch weit mehr zu vergrößern. Gelegentlich habe ich
eine große Menge provinzieller und niedriger Ausdrücke, Theils als
Synonymen, theils zur etymologischen Erläuterung mit angeführet;
allein den ganzen Wust des niedrigen Lebens in eigenen Artikeln darzustellen,
dazu konnte ich mich unmöglich entschließen." "Ich hatte bey der
ersten Bearbeitung dieses Wörterbuches anfänglich den Entschluß
gefasset, alle Theils aus Noth, Theils aus Unverstand und Mangel des
Geschmackes in die Deutsche Sprache eingeführte fremde Wörter
gänzlich bey Seite zu legen, und mich bloß auf eigentlich Deutsche
einzuschränken. Allein ich wurde doch sehr bald selbst überzeugt,
daß die gänzliche Abwesenheit aller Wörter dieser Art leicht
für einen wesentlichen Mangel gehalten werden könnte, zumahl da ein
großer Theil derselben nunmehr unentbehrlich ist, und für viele
vielleicht noch mehr einer Erklärung bedarf, als eigentlich Deutsche
Wörter. Ich bin daher schon in der ersten Auflage sehr bald von diesem
Entschlusse abgegangen, und habe in der gegenwärtigen neuen noch mehr
solcher Wörter aufgeführet, ohne mich doch überwinden zu
können, sie alle aufzunehmen. Manche sind bloß um deßwillen
angeführet, um durch den beygefügten Deutschen Ausdruck ihre
Unnöthigkeit und Verwerflichkeit zu zeigen." "Was die Bearbeitung der
aufgeführten Wörter betrifft, so ist selbige theils grammatisch,
theils kritisch, theils etymologisch. Zur grammatischen gehöret theils die
Aussprache, theils die Orthographie, theils die Biegung, theils aber auch die
Verbindung mit andern oder der Syntax. Die beyden letztern Stücke, auf
welche bereits in der ersten Ausgabe hinlänglich gesehen war, sind
gegenwärtig an mehrern Orten theils verbessert, theils näher bestimmt
worden. Für die Aussprache war in der ersten Ausgabe zu wenig gesorgt,
indem außer dem tiefen e (e) aus Mangel an Schriftzeichen nichts davon
bezeichnet war. Doch diesem Fehler ist in der gegenwärtigen neuen durch
die genaue Bezeichnung des Tones, da wo es nöthig ist, abgeholfen worden.
Ich sage, da wo es nöthig ist; denn
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in
eigentlich Deutschen Wörtern folget der Ton einer so leichten und
übereinstimmigen Regel, daß dessen Bezeichnung in den allermeisten
Fällen unnöthig ist. Er ist daher nur in solchen Fällen
angegeben worden, welche eine Ausnahme von der Regel zu machen scheinen, z. B.
wenn ein Vocal vor gedoppelten Consonanten in einer und eben derselben Sylbe
gedehnt lautet (Arzt, Bart,) besonders vor dem ch und sch, weil diese im
Deutschen niemahls verdoppelt werden, folglich die Dehnung und Schärfe
daraus nicht erkannt werden kann (lachen, machen, haschen, dreschen, aber
Buche, suchen, ich drasch.) Am nothwendigsten war die Bezeichnung des Tones bey
den fremden Wörtern, welche darin keiner, wenigstens keiner Deutschen
Regel folgen. In allen diesen Fällen ist der gedehnte Ton durch (-) und
der geschärfte durch (`) bezeichnet worden." "Was die Orthographie
betrifft, so war ich, als ich dieses Wörterbuch anfing, selbst noch von
den Vorurtheilen eingenommen, theils daß die Bildung und Ausbildung der
Sprache ein Werk der Schriftsteller sey, theils aber auch; daß die
Orthographie auf die Etymologie gegründet werden müsse. Ich wollte
daher auch mein Schärflein zur so genannten Berichtigung der Sprache
beytragen, wenigstens meinem Käpplein auch seinem eigenen Schnitt geben,
und erlaubte mir daher manche orthographische Neuerungen, z. B. einzel für
einzeln, einig für einzig, und glaubte Wunder, wie trefflich ich sie aus
der Etymologie beweisen könnte. Nachmahls, als ich tiefer in die Sprache
einzudringen genöthiget wurde, lernte ich einsehen, daß das Verdienst
der Schriftsteller um die Sprache in ganz andern und weit wichtigern
Stücken bestehe, als in Neuerungen, welche auch der Unwissendste ausfinden
kann. Auf der andern Seite ward mir auch der Unterschied zwischen der
nähern und entferntern Etymologie deutlicher, und ich lernte einsehen,
daß zwar jene; nicht aber diese die Orthographie leiten könne und
müsse. Ich kam also von diesen Neuerungen sehr bald wieder zurück,
und ich hoffe, daß diejenigen Herren, welche mir daraus ein so großes
Verbrechen machten, sich nunmehr wieder mit mir aussöhnen werden. Ich
wünsche nur, daß sie eben so gelehrig seyn, und ihre noch weit
größern Abweichungen von der gewöhnlichen Orthographie
gleichfalls ablegen mögen, damit es nicht auch von ihnen heiße, wie
dort im Evangelio, daß sie Mücken säugen und Kamehle
verschlucken." "Zu der kritischen Behandlung der Wörter rechne ich
vornehmlich den bestimmten Begriff eines Wortes und seiner verschiedenen
Bedeutungen. Die meisten Wörterbücher begnügen sich, ein Wort
und dessen Bedeutungen entweder durch ein fremdes, oder nur ungefähr durch
andere für gleich bedeutend gehaltene Ausdrücke zu erklären.
Dieses schien mir nicht genug, und ich legte mir gleich Anfangs die Pflicht
auf, den Begriff eines jeden Wortes und einer jeden Bedeutung desselben auf das
genaueste zu bestimmen; eine Pflicht, deren Erfüllung mir bey dem ganzen
Werke die meiste Mühe verursachte, ob es gleich scheinet, daß sie von
den wenigsten bemerkt und erkannt worden. Es ist überaus
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schwer, und in manchen Fällen ganz unmöglich, den
Begriff eines Wortes so genau anzugeben, daß dasselbe dadurch zu allen
Zeiten von allen ähnlichen unterschieden werden könne. Eine
große Menge Wörter, welche in die vielfachen Theile der Philosophie
einschlagen, sind zwar bereits von den Philosophen definiret, und man sollte
glauben, hinlänglich definiret worden. Allein die wenigsten Definitionen
dieser Art waren für mich brauchbar, weil jeder Philosoph sie immer nach
seinem Systeme modelt, und sie nicht selten so abstract ausdruckt, daß die
Definition dunkler wird als das Definitum. Der Begriff eines Wortes, einer
Bedeutung muß aus der Etymologie, verbunden mit dem Sprachgebrauche,
hergeleitet werden, und dabey kurz und für jedermann faßlich seyn.
Philosophen sind selten so große Sprachkenner, daß sie auf die
Etymologie Rücksicht nehmen können, und den Sprachgebrauch kennen sie
gemeiniglich auch nicht anders, als aus dem Umfange des Systemes. Da ich diese
Schwierigkeiten in mehr als hundert tausend Fällen, in manchen mehr, in
manchen weniger, zu überwinden hatte, so ist nicht zu erwarten, daß
ich in allen gleich glücklich gewesen seyn sollte; denn oft kommt es
bloß auf das Glück an; denjenigen Gesichtspunct zu finden, aus
welchem sich der Begriff eines Wortes, oder einer Bedeutung am richtigsten und
faßlichsten herleiten lässet. Ich habe in der gegenwärtigen
neuen Auflage viel darin gebessert und berichtiget, bin aber überzeuget,
daß hier noch das meiste zu verbessern und nachzutragen übrig ist.
Von den vielen Gönnern, welche sich durch Beyträge um mein
Wörterbuch verdient gemacht, ist keiner auf diesen Umstand gefallen, den
Prediger in Berlin, Hrn. Stosch, ausgenommen, der mir in seinen Schriften
über die gleich bedeutenden Wörter manchen nützlichen Wink
gegeben, welchen ich mit Dank benutzt und weiter verfolget habe. Aber sehr oft
mußte ich anderer Meinung seyn, weil mir seine Unterschiede nicht genug
durch die Etymologie unterstützt schienen, welche doch hier nicht aus den
Augen gesetzt werden darf. In der ersten Auflage hatte ich meine
Gegengründe gegen manche seiner Bestimmungen angeführet; ich habe
alles das in der gegenwärtigen wieder weggestrichen, weil der Umfang
dieses Werkes für die grammatische Polemik zu enge ist." "Manche haben die
Menge von Beyspielen getadelt, welche ihnen in vielen Fällen zu groß
geschienen. Im Ganzen genommen glaube ich nicht, daß ich deren zu viel
angeführet habe. Manche Wörter haben in ihrer Verbindung mit anderen
so viel Eigenes, daß sehr viel Platz erfordert werden würde, auch nur
das Vornehmste davon durch Worte anzugeben. Das kann am besten durch eine
hinlängliche Anzahl Beyspiele geschehen, welche ein Wort in seinen
vornehmsten Lagen gegen andere Wörter darstellen; zu geschweigen, daß
durch Beyspiele der Gebrauch eines Wortes immer am anschaulichsten wird. Wenn
ich z. B. bey dem Worte borgen mehrere Gegenstände anführe, welche
geborget werden können, so erhellet daraus zugleich, daß dieses Wort
nicht von dem Gelde allein gebraucht wird,
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wie
von einigen behauptet worden. Der Unterschied vieler in manchen Stücken
gleich bedeutender Wörter, z. B. anzeigen, berichten, melden,
benachrichtigen, Nachricht ertheilen u. s. f. läßt sich durch Worte
nicht ohne große Weitläuftigkeit, und oft gar nicht mit der
gehörigen Schärfe bestimmen; das kann denn wieder am besten durch
hinlängliche Beyspiele geschehen. Das gebe ich zu, daß der aus
Luthers Bibelübersetzung angeführten Stellen oft zu viele sind; ich
habe daher in der gegenwärtigen neuen Auflage deren viele wieder
weggestrichen. Erst neulich machte mir jemand den Vorwurf, ich hätte meine
meisten Beyspiele aus Obersächsischen Schriftstellern gewählt. Das
ist völlig ungegründet, wie schon der flüchtigste Augenschein
lehret. Aus Hochdeutschen Schriftstellern mußte ich sie nehmen, das lag in
der Natur der Sache; übrigens war mir jede Nation gleich, und ich habe
gewiß eben so viele Beyspiele aus einem Geßner, Rammler, Dusch, Opitz
u. s. f. als aus Gellert, Weiße und andern Obersachsen angeführet."
"Ich sage nichts von der Etymologie, so fern sie sich mit der entferntern
Ableitung und Verwandtschaft der Wörter beschäftiget; denn ob ich
gleich jetzt nicht mehr den hohen Begriff von derselben und ihrem Nutzen habe,
von welchem ich bey der ersten Bearbeitung eingenommen war, so habe ich doch,
einige wenige auffallende Auswüchse ausgenommen, nichts davon weglassen
mögen, weil doch viele Leser immer noch Geschmack an dergleichen
Untersuchungen finden. Aber verbessert habe ich sie in vielen Fällen, wenn
mir seitdem richtigere und bessere Ableitungen vorgekommen sind."
"Überhaupt kann ich versichern, daß mehrere tausend ganz neuer
Artikel ungerechnet, fast kein Artikel der ältern Ausgabe ohne
Zusätze und Verbesserungen geblieben ist; manche sind völlig
umgearbeitet worden." "Wir haben dieser Vorrede des Hofrathes Adelung nur noch
beyzufügen, daß wir, um seinem vorzüglichen Wörterbuche
noch mehr Vollkommenheit zu geben, am Ende eines jeden Bandes D.W. Soltau's
Beyträge und Berichtigungen anhängen werden. Man wird hier
wesentliche Berichtigungen antreffen, und über dieß noch hundert oder
mehr Wörter, welche sich in Adelungs Werke nicht befinden. Die meisten
derselben beziehen sich auf das Seewesen, und ihre Erklärung kann man
nicht entbehren, wenn man auch nur Berichte von Seetreffen,
Reisebeschreibungen, u. dgl. gehörig verstehen will. Diejenigen
Wörter in Soltau's Anhange, die in Adelungs Werke sich nicht befinden,
sind mit einem + bezeichnet. Die mit einem * bezeichneten Wörter sind
theils unrichtig, theils nicht gebräuchlich.
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